Papas Garten
Ich nehme Dich heute mit in einen anderen Garten, in einen Garten der Vergangenheit – Papas Garten. Das Interview mit Gerald von Blaue Bohnen hat mich nämlich nochmal daran erinnert, woher meine Leidenschaft fürs Gärtnern kommt. Kurz darauf ist mein Papa nach einer schweren Krankheit und einem langen Leiden gestorben. Seitdem wälze ich in Fotos und erinnere mich an die schöne Zeit, die wir in seinem Garten hatten. Dieses besondere Stück grünes Land möchte ich Dir nicht vorenthalten und vielleicht erinnerst Du Dich dann auch an solche vergangenen Orte, die Dir am Herzen lagen. Aber Achtung, Bilderflut. Schließlich hatte mein Papa den Garten einige Jahre und ich damals meine erste Digitalkamera.
Die Geschichte
Mein Papa war schon immer ein leidenschaftlicher Gärtner, soweit ich weiß. Ich bin in Polen geboren und dort hatten wir ein paar Blumenbeete im Hof, einen Garten am Haus mit ein wenig Obst. Wer dies alles gepflegt hat, weiß ich nicht mehr, aber im Nachhinein, bin ich mir sicher, es war mein Vater. Auch Tiere wie Hühner, Enten und Tauben gehörten zum Hofleben. Dazu hat mein Papa ein Feld bewirtschaftet, jeweils mit dem, das die Kolchose in dem Jahr abgenommen hat, Rüben, Weizen, Kartoffeln … Am Rande des Feldes war ein abgestecktes Stück, in dem mein Vater Gemüse angebaut hat. Dort war ich oft mit ihm. Kann mich an Möhren, Erbsen und Kohlrabi direkt vom Feld erinnern. Fotos von damals möchte ich noch suchen.
1988 wanderten oder genauer gesagt flüchteten wir nach Deutschland, in das Land Papas Wurzeln. In einer Hochhaussiedlung trauerte er einem Garten lange nach, gestaltete sich den Balkon so grün wie möglich und träumte immer von einem Schrebergarten, für die es bekanntlich lange Wartelisten gab. Mehr per Zufall fand sich 2003 ein Nachbar der Familie mit einen brachliegendem Garten mitten im Wald auf einer Anhöhe und verpachtete diesen dann an meinen Papa. Ein Zugewinn für die ganze Familie. Eine grüne Oase und willkommene Abwechslung zum Stadtleben.
Der Garten
Ich weiß nicht mehr wie groß der Garten genau war, 1000qm? Es war ein langgezogenes Stück, links ein weiterer Garten, rechts eine Pferdekoppel, hinten und vorne Wald. Beim Eingang startete der Garten mit vielen Halbstamm-Obstbäumen, hintenraus war Platz für ein Gemüsebeet, einen kleinen Geräteschuppen und unter einer Walnuss sowie an der gesamten Längsseite Wiese. Wie der Garten vor der Übernahme aussah, kann ich gar nicht genau sagen, aber mein Papa gestaltet ihn schnell nach seiner Lust und Laune.
Der Garten lag übrigens in einem Naturschutzgebiet. Wasser- und Stromanschluss gab es nicht. Wie mein Papa diesen großen Garten am Anfang neben der Arbeit her, später auch nach den ersten Schlaganfällen und Herzinfarkten gemeistert hat? Das ist eine gute Frage. Damals konnte ich den Umfang noch nicht bemessen. Erst heute, wenn ich die Bilder sehe, kann ich es erahnen. Häufig haben meine älteren Geschwister geholfen, aber meist wuppte er es doch allein.
Der Familiengarten
Der Garten wurde bald der Treffpunkt der Familie. Die meisten Geburtstage, Feiertage und auch viele Wochenende in warmen Jahreszeiten, fanden hier statt. Alles wurde angekarrt für ein Mittagessen vom Grill und einen Kaffee und Kuchen danach. Wie gesagt, alles ohne Strom und Wasser. Für meine Nichten und Neffen, damals unter 10 Jahre, wurden Schaukel, Fußballtore, Sandkasten und andere Spielsachen besorgt. Die Familie quatschte, sonnte sich, genoss die gemeinsame Zeit. Auf vielen Fotos sehe ich meinen Papa am Grill oder durch den Gemüsegarten wandern, um uns mit Rohkost zu versorgen. Ein richtiger Familiengarten.
Der Obstgarten
Soweit ich weiß, waren sämtliche Bäume schon da, als mein Papa den Garten übernommen hat. Er pflegte die ca. 20-30 Bäume mit größter Sorgfalt. Wie auch immer es im körperlich ging, ließ er sich nicht nehmen mit der Kettensäge auf der Leiter die Bäume zu beschneiden. Egal ob Äpfel, Birnen, Pflaumen, Zwetschgen, Pfirsiche, Kirschen…mein Papa hatte den größten Spaß daran alle mit Obst aus seinem Garten zu versorgen.
Zusätzlich fanden sich in Papas Garten noch viele Sträucher. Johannisbeeren in Rot und Weiß waren seine Liebsten, dazu Stachelbeeren, Brombeeren und Himbeeren.
Der Gemüsegarten
Mein Papa mochte es gerne schön im Garten und pflanzte Blumen an jede Ecke. Doch wichtig war ihm auch immer der Gemüsegarten. Für dessen Pflege er große Regenwasserreserven anlegte und das Wasser dann immer mühsam mit Gießkannen durch den ganzen Garten trug.
Was genau er alles anpflanzte weiß ich nicht mehr. In dem Alter damals habe ich den Blick und das Gefühl dafür noch nicht gehabt. Aber alle erinnern sich an Kohlrabi, Möhren, Salate, Kräuter, Zucchini, Gurken und Tomaten. Wir lernten schnell, eigenes Gemüse schmeckt einfach so viel besser.
Zucchini und Kürbis überwuchs auch die gesamten Kompost-Haufen. Wobei es Zierkürbis gewesen sein muss. An Kürbis in der Küche kann ich mich nicht erinnern. Wie gerne würde ich jetzt mit meinem Papa durch diesen Garten gehen. Wie gerne würde ich ihm nun meine Hochbeete zeigen, die er nicht mehr erleben konnte…
Der Blumengarten & je bunter desto besser
Mein Papa erfreute sich nicht nur am Nutzgarten, sondern vor allem auch an Blumen, je bunter desto besser. Dabei mochte er es gern klassisch: im Frühling Traubenhyazinthen, Narzissen und Tulpen, später Gladiolen, Zinnien und Dahlien, im Herbst Astern.
Für unseren Garten brachte er immer wieder gerne Blumenzwiebeln mit und half mir Beet Nr. 1 anzulegen. Der Anblick von schönen Blüten gefiel ihm und obwohl er meist nur am Wochenende in dem ca. 8km entfernten Garten war, ließ er sie gern wachsen. Ein paar nahm er dann immer für die Blumenvase mit heim.
Die Blumen erfüllten jedoch nicht nur den Zweck des Augenschmaus. Er setzte sie auch oft bewusst ein. Z.B. sollen Narzissen Mäuse fernhalten. So pflanzte er sie um die anfälligen Bäumchen oder bei Mäusen beliebte Blumen.
Siehst Du diese Baumstücke als Reihe vor dem Zaun? Mein Papa hat oft Späße gemacht. Diese Baumteile fand er witzig. Später malte er sie sogar noch weiß und bunt an. Wenn Spaziergänger danach fragten, was das wäre, sagte er, es hätten Studenten der nahegelegenen Alanus-Kunsthochschule gemacht. Es kam nur ein großes “Aha” oder “Interessant” und mein Papa hatte seinen größten Spaß.
Nicht nur die Blumen sorgten für Farbe im Garten. Mein Papa nutzte auch alle möglichen Dinge, um den Garten zu „dekorieren“. Wobei die vielen Windräder, bunten Glaskugeln, CDs etc. mehr einem Zweck dienten, nämlich Mäuse von Wurzeln und Vögel vom Gemüse fern zu halten. So war es vor allem ums Gemüse richtig bunt und auch um die gefährdeten Bäumchen. Die Windräder steckten dabei in vergrabenen leeren Sektflaschen. Der Wind sollte Geräusche in die Flaschen übertragen und mit diesen Mäuse und Maulwürfe verschrecken. Ob es geholfen hat? Ich kann ihn leider nicht mehr fragen.
Wie lange mein Papa den Garten hatte, kann ich leider auch nicht mehr ganz genau sagen. Meine Fotos enden in 2012. Das ist auch das Jahr in dem ich hier nach Bayern zog. Mein Papa durfte irgendwann nicht mehr Auto fahren und so war es nahezu unmöglich regelmäßig in den Garten zu kommen und ihn zu pflegen. Stattdessen versuchte er, wo er konnte bei Geschwistern oder eben mir auszuhelfen und sich einzubringen. 2017 konnte er mich zuletzt besuchen. Konnte bestimmte Gartenbereiche nur auf Fotos sehen unseren zweiten Sohn lernte er nicht mehr wirklich kennen. Ich werde ihn vermissen und es wird mir fehlen mit ihm durch den Garten zu gehen und seine Meinung zu hören, aber ich werde mich immer an die Zeit mit ihm in seinen Gärten erinnern.
5 Kommentare
Siimone
Das hast du wunderbar erzählt !
Eva
Vielen lieben Dank!
Katrin
Ach Eva so eine schöne Erinnerung! Im Nachhinein denkt man, ach hätten wir doch darüber noch gesprochen. In jüngeren Jahren denkt man nicht dran und irgendwann ist es dann zu spät…Das Wachhalten solcher Erinnerungen ist so wichtig!
Ich sende Dir viele Grüße!!
Katrin aus K.
nina. aka wippsteerts.
Eine schöne Art, sich an den Vater zu erinnern! Ihn in jeder Blume und jedem Baum wiederzusehen, weil man an ihn denkt. Auch wenn der Garten durch den Du gerade gehst, noch der Garten Deiner Kindheit, “Papas Garten” ist, hat er Dich doch so geprägt, dass Du eine Gärtnerin geworden bist und mit Liebe an ihn denkst.
Es wird irgendwann etwas besser, jeden Tag aufzuwachen und mit dem Wissen, dass er nicht mehr da ist. Dann sind die Gedanken eher schön und glücklich, dass man einen Menschen hatte, der einen begleitet hat und wo ganz viel war, auch die Gartenliege.
Liebe Grüße
Nina
Eva
Hallo Nina,
das hast Du sehr lieb geschrieben. Deine Worte sind mir ein Trot.
Vielen lieben Dank dafür.
Liebe Grüße,
Eva