Ist Imkern vegan?
Ich habe einen Freund, den ich länger nicht mehr gesehen hab. Letzte Woche haben wir telefoniert und uns mal auf den neusten Stand gebracht. Er ist vegan, hält seit kurzem Hühner im Garten und hat Freude an der Natur. In meiner Euphorie habe ich ihm gleich vorgeschlagen doch auch zu Imkern. Im ersten spontanen Moment war das Feedback “Hmm. Das ist wahrscheinlich nicht vegan.”…”Ahja, das könnte sein.” Da ist selbst weder vegan noch vegetarisch lebe, habe ich mir keine Gedanken gemacht. Aber Moment, stimmt das? Zum Glück war dieser Freund offen und hat mich gleich über die Bienen und das Imkern ausgefragt. Bis dato kannte er das Thema nur aus Reportagen und was er gesehen hatte, kam für ihn nicht in Frage. Bei unserem Gespräch war er überrascht von vielen Punkten, die er bisher nicht wusste und so näherten wir uns der Frage: Ist Imkern vegan oder nicht?
Was bedeutet eigentlich Vegan?
Veganismus ist eine Einstellung sowie Lebens- und Ernährungs-weise. Menschen, die vegan leben meiden alle Nahrungsmittel tierischen Ursprungs oder sie lehnen sogar sämtliche Verwertung tierischer Produkte und die Ausbeutung der Tiere ab, dazu gehören neben Lebensmitteln auch z.B. Kosmetik oder Kleidung. Während also Vegetarier auf Fleisch verzichten, meiden Veganer darüber hinaus auch tierische Milchprodukte und Eier. Ist Imkern nun vegan? Um der Antwort näher zu kommen, haben wir uns einzelne Fragen näher angeschaut.
Sterben Bienen durch das Imkern?
Mein Schulfreund hatte Reportagen gesehen, bei denen Königinnen beim Inkern getötet wurden. Was steckt dahinter? Die Königin eines Bienenvolkes lebt am längsten, wird jedoch irgendwann auf natürliche Art uns Weise ersetzt. Neue Königinnen werden ausgebrütet. Die erwählte Nachfolgerin bleibt im Bienenstock, die alte Königin fliegt mit einem Teil des Volkes aus und sucht sich eine neue Bleibe. Sie schwärmt. Etwaige weitere Konkurrentinnen werden übrigens von den Bienen selbst “entsorgt”. Profi-Imker versuchen häufig das Schwärmen zu vermeiden und berechen z.B. Königinnenzellen mit den Larven aus. Weiterhin kann der Wunsch eine gewisse Qualität des Volkes zu erreichen dazu führen, dass eine vorhandene Königin getötet und durch eine gezüchtete ersetzt wird.
Da hat mein Freund also gut aufgepasst. Viele Imker tun dies. Es geht allerdings auch ohne, wenn man der Natur einfach ihren freien Lauf lässt. Man lässt die Bienen schwärmen. Dadurch verliert man zwar einige Bienen im Volk und die Honigproduktion sinkt, aber es werden nicht bewusst Bienen getötet. Aber, das Schwärmen lassen kann auch genauso gut zu mehr Verlusten unter den Bienen führen, wie wann man das Schwärmen mit verschiedenen Maßnahmen verhindert (siehe weiter unten ‘Können Honigbienen ohne den Imker überleben).
Wie sieht es in den weiteren Imker-Arbeiten aus? Beim Handling versucht ein Imker natürlich sehr vorsichtig vorzugehen. Bei Aufsetzen von Kästen kann es im Gewirr bei ca. 50.000 Bienen im Stock tatsächlich dennoch passieren, dass eine Biene stirbt. Genauso stirbt sie, wenn man von ihr gestochen wird. Das allerdings auch ohne zu Imkern passieren. Beim Entnehmen des Honigs passiert weniger, wenn man mit Bienenfluchten arbeitet, um den Honigraum möglichst leer zu bekommen.
Häufig gibt es auch das Gerücht, durch das Entnehmen des Honigs würden Bienen Sterben oder sogar bewusst getötet. Dem ist nichts so. Für mich wäre es total unlogisch sowas zu tun, denn schließlich will man auch im nächsten Jahr noch ein gesundes großes Volk haben, dass weiterhin Honig liefert. Die Honigentnahme gehe ich im folgenden Abschnitt durch.
Muss ich den Bienen Honig entnehmen?
Das muss man natürlich nicht. Man kann durchaus wie Hühner Bienen einfach im Garten halten, die Bienen und die Bestäubung unterstützen. Bienen sind für die Bestäubung von Pflanzen extrem wichtig. Es heißt, ca. 80 Prozent aller heimischen Blütenpflanzen sind auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Die Honigbiene hat dabei auch einen großen Anteil. Der volkswirtschaftliche Nutzen der Bestäubungsleistung von Bienen liegt bei ca. 2 Milliarden Euro nur in Deutschland. Damit gehören Bienen zu den Top 3 Nutztieren.
Bienen sorgen also dafür, dass wir mehr Obst und Gemüse haben. Auch die Qualität des Anbaus steigt durch die Bestäubung durch Bienen. Bienen sind also die mit wichtigsten Nutztiere, ob in der freien Natur oder im Bienenstock. Lebt man also von Gemüse und Obst, dann wäre es wichtig Bienen bei ihrer Arbeit zu unterstützen.
Imkern bedeutet nicht nur Honigernte. Beim Imkern trägt man Verantwortung für die Bienen und muss sich also auch ohne Honigernte gut um sie kümmern. Bienen brauchen Nahrung zum Überwintern. Entnimmt man keinen Honig, können sie diesen im Winter nutzen. In guten Jahren haben sie allerdings für den Wintervorrat zu viel. In schlechten Jahren sorgt der Imker für die Bienen und füttert zu, wenn die Bienen aufgrund schlechtem Wetter oder anderen Bedingungen nicht genug ernten können, also auch trotz fehlender Honigernte. Weiterhin kann der Sommerhonig allerdings auch ungesund für Bienen sein und zu Komplikationen führen. Honigtau im Sommer enthält viele Ballaststoffe und kann durch Kot zur Ruhr führen oder der Honig hat einen starken Wasseranteil, kristallisiert schnell und zementiert quasi. Die Bienen verhungern, obwohl sie gut geerntet haben. Also auch durch die reine Natur kann es zu einem großen Schwund der Bienen im Winter kommen. Entnimmt man Honig, verhungern die Bienen allerdings nicht, man füttert sie mit einer Zuckerlösung zu.
Man kann also die Honigernte mit Melken vergleichen, allerdings kann die Honigernte auch dafür sorgen, dass mehr Bienen den Winter überleben.
Bienen sterben also nicht, weil man ihnen Honig entnimmt. Die Sommerbienen leben im Schnitt 6-8 Wochen, die Winterbienen schlüpfen ca. im Oktober und bleiben fast den ganzen Winter im Bienenstock. Es liegt in der Natur der Bienen, dass ihr Volk sich von ca. 50.000 Stück im Sommer auf ca. 10.000-20.000 Stück im Winter reduziert. Das Volk reguliert sich entsprechend der Bedürfnisse von alleine, egal ob Honig geerntet wird oder nicht.
Können Honigbienen auch ohne den Imker überleben?
Honigbienen können durchaus auch ohne Imker überleben. Allerdings wird dies immer schwieriger. Schwärmen sie aus dem Bienenstock aus, suchen sie sich draußen ein Zuhause und ein solches passendes zu finden ist heutzutage nicht einfach. Sie brauchen eine Höhle, z.B. eine Baumhöhle, wo sie Bauen können. Häufig sind daher die wilden Honigbienenvölker kleiner als die der Imker.
Einige der geschwärmten Bienen schaffen es jedoch nicht draußen zu überleben und daher ist es wichtig, dass ein Imker sie einfängt. Siehe z.B. der Schwarm, der dieses Jahr um die Eisheiligen ausgebüchst ist…sie wären in der Kälte hoch oben auf dem Baum verhungert, weil sie sich bei den kalten Temperaturen nicht fliegen und kein Futter hätten holen können. Bemerkt man das Ausschwärmen und kann die Bienen wieder einfangen, gibt man ihnen ein neues Zuhause und kann somit für eine Vermehrung der Bienen sorgen. Zudem bedroht die asiatische Varroa-Milbe die Bienen in der freien Natur. Die europäische Honigbiene ist nicht gegen die Milbe gewappnet.
Eine Aufgabe des Imkers ist es also auch die Bienen auf Krankheiten zu beobachten und diese zu bekämpfen. Darunter gehört der Befall durch die Varroa-Milbe oder z.B. durch die amerikanische Faulbrut. Solche Krankheiten können sich rasch ausbreiten und ganze Regionen sind beeinträchtigt. Wird ein Volk nicht rechtzeitig behandelt, kann es komplett sterben und auch andere Völker anstecken.
Fazit
Meiner Meinung nach kommt es auf die Auslegung des Veganisums an, ob man das Imkern aus vegan ansieht oder nicht. Wichtig ist, sich richtig zu informieren, nicht auf Gerüchte zu setzen und sich dann seine Meinung zu bilden. Geht darum Bienen nicht zu töten und auch keiner Vermehrung im Wege zu stehen, dann kann ein Imker vegan handeln. Geht man weiter und möchte in der veganen Lebensweise auch keine Tiere ausnutzen, dann wäre das Entnehmen des Honigs nicht vegan. Hier kann man dann jedoch davon sprechen, dass der Honig selbst nicht vegan ist, die Bienenhaltung allgemein könnte weiterhin als vegan angesehen werden. Vor allem, wenn man es unter dem Aspekt sieht, dass heutzutage die meisten Honigbienen nicht in der freien Natur überleben oder sich ausbreiten könnten und dass man durch die Bienenhaltung die Bestäubung von Blütenpflanzen unterstützen kann. Auch die Imkerei Gronau hat das Thema näher betrachtet und kommt zum Ähnlichen Schluss: Geht Imkern vegan? Jein! Letztendlich muss jeder mit seiner eigenen Lebenseinstellung die Vorgehensweise betrachten und entscheiden, ob er sich vorstellen kann selbst Bienen zu halten oder ob die Arbeit des Imkers des Vertrauens vereinbar ist mit den Vorstellungen und man diesen Honig essen kann.
Jetzt bin ich gespannt auf viele Kommentare und weitere Aspekte von Veganern, die man gerne beleuchten kann.
Verlinkt mit Juttas Natur-Donnerstag
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6 Kommentare
Silke - Miteinander-Bücher
Liebe Eva, danke für die vielen Informationen, die du zusammengetragen hast. Es ist sehr interessant zu lesen. Ob Imkern vegan ist, bisher dachte ich immer, Veganer essen keinen Honig. Aber vielleicht tut es der eine oder andere ja doch … In einem muss ich dir allerdings widersprechen. Honigbienen sind zwar für die Bestäubung von Massentrachten sehr wichtig, die Bestäubung der Pflanzen in unseren Parks und Gärten können aber sehr gut ausschließlich Wildbienen und natürlich die übrigen bestäubenden Insekten übernehmen. Und Wildbienen bestäuben auch noch wesentlich effektiver als Honigbienen. Auch ein Großteil des Obstes wird von Wildbienen bestäubt. Das erledigen nämlich meist Hummeln. Häufig ist es Honigbienen zur Obstblüte nämlich noch zu kalt. Hummeln stört das nicht. Sie haben einen Pelz an.
Liebe Grüße
Silke
Eva
Hallo Silke,
vielen Dank für Dein Feedback. Es ist tatsächlich so, dass die meisten Veganer keinen Honig essen und mit meinem veganen Freund sind wir daher auf die Spur gegangen warum nicht. Viele seiner Annahmen sind wir daher durchgegangen und haben festgestellt, dass diese teilweise falsch waren, teilweise war ihm z.B. auch nicht bewusst wie kurz Honigbienen leben oder wie gefährdet sie durch Krankheiten sind. Deswegen habe ich hier im Artikel im Prinzip nochmal unser Gespräch zusammengefasst und aus der Sicht unserer Imkerarbeit geschrieben. Ob es nun mit einer veganen Lebenseinstellung zusammen passt oder nicht, muss dann jeder für sich entscheiden.
Ich fühle mich ehrlich gesagt auch nicht widersprochen, sondern ergänzt durch Dich. In meinem Artikel habe ich bewusst den Begriff ‘Biene’ gewählt, wenn ich über alle Bienen spreche und ‘Honigbiene’, wenn ich speziell über Honigbiene spreche. Natürlich ist mir bewusst, dass die Honigbiene nicht die ganze “Abreit” alleine macht, sondern dass Wildbienen und andere Insekten auch extrem wichtig sind. Je vielfältiger, desto besser. Ich bin allerdings gezielt nicht auf die Wildbienen eingegangen, weil das Thema nochmal ein ganz eigenes ist und noch weitere Artikel lang geworden wäre. Durch unsere Honigbienen sind wir mit meinem Freund speziell auf das Thema Imkern gekommen und daher schreibe ich auch gezielt darüber. Mit der Bestäubung muss ich mich noch näher befassen. Im Detail kenne ich mich noch zu wenig aus. Bei uns im großen Obstgarten ist es allerdings durchaus so, dass man hauptsächlich Bienen in der Obstblüte sieht. Zu kalt ist es für sie bei uns meistens nicht während der Blüte. Es gibt natürlich solche und solche Jahre. Ob sie dann auch wirklich diejenigen sind, die Bestäuben, das weiß ich nicht. Habe grad bei Dir ein spannendes Buch zu Bienen im Winter gesehen. Das werde ich gleich mal meiner Schwägerin für die Bücherei vorschlagen!
Liebe Grüße
Eva
Silke - Miteinander-Bücher
Liebe Eva,
nun muss ich mich bedanken für deine ausführliche Antwort. Als ich von den Hummeln und der “Kälte” schrieb, fiel mir natürlich auch sofort der Klimawandel und die damit immer höheren Temperaturen ein. Aber es gibt natürlich trotzdem manchmal kühlere, feuchtere und manchmal wärmere Frühjahre. Ich dachte mir schon, dass du selbst imkerst 😉 Es macht sicher auch einen Unterschied, wenn du deine Bienenstöcke direkt neben den Obstbäumen stehen hast. Dann haben es deine Honigbienen ja nicht weit 🙂
Wildbienen bestäuben tatsächlich effektiver, weil sie wesentlich ausgeprägtere Sammeleinrichtungen haben. Und Hummeln können Blüten bestäuben, die von anderen Bienen gar nicht bestäubt werden können. Sie brummen in der Blüte und schütteln den Pollen regelrecht ab.
Wenn du mein Bienenbuch deiner Schwägerin für die Bücherei vorschlägst, freut mich das natürlich ganz besonders. 🙂
Ich wünsche dir ein schönes Wochenende.
Herzliche Grüße
Silke
nina. aka wippsteerts.
Ein interessanter Artikel von Dir. Besondere Herangehensweise sozusagen. Ich finde Imkern wirklich sehr interessant. Irgendwann muss ich mich Mal näher damit beschäftigen ☺ Leider haben wir nur ein Mini Grundstück und auf dem leben ganz viele verschiedene Bienen und Hummeln, sowie es halt geht im städtischen Bereich.
Bezüglich vegan oder nicht… Die Veganer, die ich kenne, sehen Honig als tierisches Produkt an und damit ist die Sache klar.
Ich wünsche Euch eine gute Tracht dieses Jahr!
Ganz liebe Grüße
Nina
Eva
Hallo Nina,
freut mich, dass der Artikel interessant war. Nach dem Telefonat mit meinem Freund ging mir das Thema nicht mehr aus dem Kopf und so wollte ich es teilen. Auch wenn der Garten klein ist, ist doch super, dass ihr eine große Vielfalt habt. Das ist besonders wichtig.
Obwohl ich früher nie drüber nachgedacht habe, sehe ich es auch so Honig ist nicht vegan im klassischen Sinne. Die Frage ist, ist es Imkern ohne den Honig zu entnehmen auch? Ich denke, es könnte durchaus vegan sein Bienen zu halten. Schließlich hält mein Freund auch Hühner im Garten. Er hat sich lange vorher damit beschäftigt wie er sie halten muss, genauso könnte es vielleicht auch mit Bienen klappen.
Das mit der Tracht ist für dieses Jahr leider durch. Obwohl sich das Wetter deutlich gebessert hat und wir eigentlich recht viele blühende Bienenpflanzen im Garten haben, leider 0 Honig.
Liebe Grüße,
Eva
Elke (Mainzauber)
Hallo Eva, das ist ja ein ausgesprochen informativer Artikel, den ich mir heute Abend noch einmal ganz in Ruhe durchlesen möchte. Im Moment habe ich ihn eher überflogen. Aber eine Frage stellt sich mir auf jeden Fall jetzt schon: Was macht dein veganer Freund mit seinen Hühnern?
Herzliche Grüße erst einmal – Elke