Kulturgut Streuobswiese
In den meisten Fällen wird als Kulturgut etwas bezeichnet, dass von Menschen erschaffen wurde, sei es Kunst, Architektur, Literatur oder z.B. Musik. Es ist einzigartig und Teil des kulturellen Erbes eines Volkes in Verbindung mit einer heimatlichen Identität. Werden Kulturgüter zerstört, geht meist ein Teil des Schatzes unwiederbringlich verloren. Aus diesem Grunde ist es Ziel Kulturgüter zu schützen und für die Allgemeinheit zu erhalten. Erst seit rund 15-20 Jahren denkt man bei Kulturgütern auch an Kulturlandschaften und wie unter anderem an Streuobstwiesen. Diese sind von Menschen erschaffen, haben eine lange Historie und bieten unheimlich viel für die Umwelt, sind jedoch in den letzten 60 Jahren stark zurückgegangen. Immer mehr Flächen werden bebaut und die aufwendige Arbeit eine Streuobstwiese zu erhalten, nimmt kaum noch einer auf sich.
Zum Glück gibt es bei uns in der Region noch einige Streuobstwiesen, auch wenn diese meist aufgrund der mangelnden Rentabilität aufgegeben werden. Unser Nachbarort Lalling bzw. der gesamte Lallinger Winkel ist für Apfelanbau und Streuobst bekannt und hat sich dem Thema angenommen. Der Ort tut alles dafür den Trend aufzuhalten, die positiven Aspekte hervorzuheben und die Wiesen aufzuwerten. Gegründet wurde in Lalling ein Streuobstwiesenkompetenzzentrum.
Ziel ist es die Region zu fördern und die Streuobstbestände zu sichern. Das Ganze geschieht durch Vernetzung und Austausch zu dem Thema sowie Forschung in Zusammenarbeit mit der Universität Weihenstephan (Schwerpunkt Natur, Ernährung, Umwelt). Es werden zahlreiche Bildungs- und Freizeitangebote zum Thema Streuobst durchgeführt. Finanziert wird die Initiative dabei von Ministerien und der Sparkasse. Ein sehr wichtiges und meiner Meinung nach auch unerlässliches Projekt, um dieses Kulturgut hier in der Region zu schützen. Würden Streuobstwiesen verschwinden, würde die gesamte Landschaft eine deutliche Änderung erfahren.
Was sind Streuobstwiesen?
Streuobstbau ist eine Form des Obstbaus, bei dem umweltverträglich Obst in Hochstammform angebaut wird. Die Bäume stehen dabei im Gegensatz zum niedrigstämmigen Plantagenbau, wie zufällig in der Landschaft verstreut. Dabei werden die Bäume selbst sowie sie Flächen darunter genutzt, jedoch ohne synthetische Behandlungsmittel. Durch ihre Vielfalt sind die Streuobstbestände meist ein prägender Bestandteil der Landschaft. Zusätzlich spielen Streuobstwiesen eine entscheidende Rolle für die Biodiversität, da sie neben unterschiedlichen Obstarten und -sorten auch diverse Tier-, Pflanzen und Pilzarten beherbergen. Insbesondere die Tier- und Insektenwelt fände kaum alternative Lebensräume.
Nur in solchen Streuobstwiesen finden sich noch alte, nachhaltige, langlebige und vor allem auch gut verträgliche Apfelsorten. Während sich in jungen Gärten meist neue, auf Ertrag und gutes Aussehen getrimmte Sorten wiederfinden. Je mehr Streuobstwiesen verschwinden oder je weniger sie erhalten und gepflegt werden, desto mehr verschwinden die alten Sorten. Daher ist es besonders wichtig Streuobstbestände zu erhalten und zwar nicht nur zum Erhalt der Landschaft, des Naturschutzes und des Kulturgutes, sondern auch möglichst als Naherholungsgebiet und zum Zwecke des Tourismus. Dabei muss eine Form gefunden, die erwerbswirtschaftlich funktioniert. Mit der Einführung der Biozertifizierung und besonderen Vorträgen zur Vermarktung des Streuobstes, ist Lalling hier auf einem guten Wege.
Streuobstwiese mit Lehrauftrag
Streuobstwiesen können auch einen Lehrauftrag erfüllen. Leider ist es heutzutage so, dass viele Kinder keinen direkten Kontakt mehr zur Natur und Obst haben. Heute wird nicht mehr wie früher fast der ganze Tag “draußen” verbracht, im Baum geklettert, aus Pflanzen eine Suppe gekocht, im Wald und Garten geforscht oder noch das Obst frisch vom Baum gepflückt. Zum Glück tun meine Kinder als dies, aber anderen fehlt der Zugang. Die Termin-Kalender der Kinder sind vollgepflastert mit anderen Aktivitäten oder die Kinder beschäftigen sich drinnen. Kinder dürfen sich nicht mehr schmutzig machen. Der Bezug zu dem Obst (wo kommt es her, wie wächst es heran), zu Pflanzen (giftig, ungiftig, essbar, wichtig für Insekten) oder zu Tieren (Bruträume von Vögeln, Nahrung für Insekten etc.) geht verloren.
Wozu man keinen Bezug hat, das schätzt man auch nicht wert und schützt es auch nicht. Umso schwerer wird es in Zukunft Natur zu erhalten, wenn man nicht rechtzeitig entgegenlenkt. Wie will ich später einen Erwachsenen davon überzeugen ein Stück Wiese zu erhalten, statt ein großes Bauprojekt zu verwirklichen, wenn er noch nie erlebt hat, was in der Wiese lebt oder was sie einem bieten kann? Mit Besuchen in einer Streuobstwiese rund ums Jahr kann man Kindern daher viel Beibringen.
Mit Herz und Hand in der Streuobstwiese
Ideen dazu wie man dies spielerisch tun kann, habe ich beim Lehrgang “Mit Herz und Hand auf der Streuobstwiese” mit der Kräuterpädagogin Manuela Lorenz sammeln können. Dieser Lehrgang für Jugendleiter fand auf der ältesten Streuobstwiese in Lalling von Maria Gruber statt. Ich habe Einiges für unsere Kindergruppe des Gartenbauvereines mitnehmen können und fand gleichzeitig das Stück Erholung was mir so oft fehlt. Einfach durch die Natur streifen und im Detail erleben. Aber nicht nur Jugendleitern und Gartenbauvereinen bietet die Region Lehrgänge an, sondern mit ihrem Kurs “Apfelbäckchen und Krabbelbein” auch eine interessante Fortbildung für Fachpädagogisches Personal wie Lehrer/innen und Kindergärtner/innen. Diese Lehrgang kam meinem kleinen Sohn im Kindergarten direkt zu Gute. Auch die Grundschule meine älteren Sohnes in Lalling arbeitet häufig mit dem Streuobstkompetenzzentrum zusammen.
Nach dem Lehrgang bin ich nun wieder beflügelt und motiviert und kann die Begeisterung hoffentlich an die Kinder weitergeben. Es ist nicht nur so viel Allgemeinwissen, das sie in der Streuobstwiese erlernen können, sondern auch so viel Erlebnis, Abenteuer und Gefühl. Auch ich persönlich sehe Streuobstwiesen seit dem wieder mit einem ganz anderen Auge und nehme auch für unseren persönlichen Garten, unsere Bäume, Pflanzen und die Tierwelt einiges mit. Weiter so Lalling! Vielen Dank, Manuela!
2 Kommentare
nina wippsteerts
Ein sehr schöner und wichtiger Artikel!
Danke und einen schönen ersten Mai
Liebe Grüße
Nina
Eva
Dankeschön, Nina!
Dir auch einen schönen Mai!
VG Eva